Hochlandexpedition Peru – auf den Spuren der Chachapoya
Ich laufe. Vor mir sehe ich eine schwarze Rucksackhülle, der ich auf Schritt und Tritt folge. Die Landschaft, die sich um mich erstreckt, ist überwältigend. Zumindest bekomme ich diesen Eindruck, wenn ich es schaffe meinen Blick von dem Weg zu lösen. Dem Weg, der eigentlich überhaupt kein richtiger Weg ist. Steine, Schlamm, Sumpflandschaft und Unebenheit bereiten mir beim Laufen Probleme. Allerdings wusste ich vorher, dass es sehr anstrengend sein würde. Eben kein Pauschal-Tourismus sondern Abenteuer! „Indiana Lisel“ im peruanischen Dschungel. Ob Indiana Jones auch so mit den Wegen und Gepäck zu kämpfen hatte? Ich glaube nicht!

Meine Teammitglieder und ich befinden uns im Norden Perus, auf einer Expedition zu abgelegenen und teilweise unentdeckten Orten. Das Ziel für heute heißt „See der Kondore“ oder auf Spanisch „Laguna de las Momias“.
Strapazen, die sich lohnen
Als wir einen Berg, auf ca. 3.400 Höhenmetern erklimmen, fühlen sich meine 20 kg Gepäck auf dem Rücken tonnenschwer an. Außerdem passt eine Einstellung an meinem Rucksack nicht und es drückt mich beim Laufen. Aber da ich die Gruppe nicht aufhalten will, laufe ich weiter. Vor einer Stunde hat es (wieder) angefangen zu regnen. Und auch wenn dies nun schon der dritte Regentag in Folge ist, ist die Stimmung bisher ungetrübt und so höre ich von vorne nur: „Aber wie gut das wir ja Trockenzeit haben!“ Wir erreichen den Bergkamm und die Landschaft beginnt sich zu verändern.

Wo im einen Moment noch eine unüberschaubare Graslandschaft und zerklüftete Felsen sind, ändert sich das Bild im nächsten Moment zu einem dichten Nebelwald. Ich muss unwillkürlich an den letzten Alien-Film denken, als es von hinten ruft wir sollen warten.

Ich bin froh um die kurze Pause und versuche meinen Rucksack besser einzustellen. Ebenso bin ich froh um die Lollis und Bonbons, die Martin an uns verteilt. Vor dieser Expedition hätte ich wohl niemals gedacht, wie sehr sich mein Körper bei dieser Anstrengung nach Zucker sehnt. Überhaupt ist der menschliche Körper ein wundersames Ding und kann sich sehr schnell auf äußere Gegebenheiten einstellen. In unserem Fall: die Anstrengung, die Höhe, das Essen, wann und wie viel zu trinken gebraucht wird – um nur einiges zu nennen.

Alles, nur kein Massentourismus
„Warum macht man denn so etwas?!“, hatte mich ein Freund gefragt, bevor ich auf diese Reise aufgebrochen bin. Zwei Wochen Wildnis, Kälte (in unserem Fall auch Regen), Anstrengung, im Schlafsack schlafen, spärliche Hygienebedingungen, Wasser desinfizieren, aus Schutz vor Krankheiten…
„Weil,“ hatte ich ihm gesagt: „es so viel mehr auf dieser Welt zu entdecken gibt, als nur den Ballermann auf Mallorca. Und, weil es im Leben nichts Wertvolleres gibt, als die Menschen, die uns begleiten, die Orte an denen wir waren und die Erinnerungen, die wir gemacht haben.“

Als „Anti-Pauschalreisende“ wurde ich irgendwann auf Wandermut aufmerksam und nachdem ich von der Peru Expedition gelesen hatte, war ich direkt begeistert und hatte mich auf einen Platz im Team beworben. Der Anfrage folgten einige Telefonate mit Tom und einem Briefing über die Tour. Als ich letztlich die positive Nachricht über meine Teilnahme an der Tour bekam, freute ich mich wie ein Honigkuchenpferd. Klar – das Ganze war natürlich nicht günstig. Allerdings, „Geld kommt wieder, Zeit nicht“, dachte ich mir. Und bei dieser Tour auch nicht „einfach so“ durch die peruanischen Anden zu stapfen, sondern ein Ziel und einen Mehrwert zu haben, hatte mich letztlich überzeugt.

Eine Vielzahl aller Perureisenden verbindet mit diesem Land wohl hauptsächlich die Kultur der Inkas. Dass es neben den Inkas aber auch viele andere indigene Völker gab, weiß man erst, wenn man sich intensiv damit beschäftigt. So ging es mir natürlich auch. Ich hatte zuvor niemals von dem Volk der Chachapoya gehört.

Nebelkrieger, Wolkenmenschen: die Chachapoya
Ein Volk, das vor ca. 500 Jahren im Norden Perus, vor allem in höheren Lagen gebaut und gelebt hat. Von den Inka erhielten sie den Namen Chachapoya, was auf Quechua „Wolkenmenschen“ bedeutet. Da es von dieser Kultur noch so viel Unentdecktes gibt und auch Grabstätten partiell noch nicht geborgen wurden, machte es sich Wandermut (und damit auch meine Mitreisenden und ich) zur Aufgabe, dieses Vorhaben zu unterstützen. Viele Grabstätten und potenzielle Fundstellen befinden sich dabei um den See der Kondore und in einem weitläufigen Gebiet verteilt. Weshalb der See, der seinen Namen von früheren Funden erhielt, eine wichtige Anlaufstelle für uns darstellte.

Und so kommt es, dass wir mit Gepäck auf unserem Rücken durch die peruanischen Anden laufen. „Wir“ – das sind zehn Teilnehmer (inklusive mir), Martin & Tom (die Gründer von Wandermut), Ron (unser Chachapoya Experte), sowie unsere Guides.

Die Entdeckung – ein Grab der Chachapoya
Und tatsächlich finden wir am 4. Tag unserer Expedition die erste Grabstätte. „Okay, jetzt ist es amtlich,“ denke ich: „Wir sind offiziell Entdecker.“ Der Weg dorthin ist dicht bewachsen, vorbei an Wasserfällen und den Berg hinauf, die Sonne im Rücken, bis wir einen grandiosen Ausblick über den See der Kondore und die Umgebung bekommen.

In diesem Moment erfüllt mich ein unbeschreibliches Gefühl. Umgeben von tollen Menschen sitze ich hier, am Ende der Welt auf knapp 3.000 Höhenmeter (gefühlt mindestens 9.000). Stolz und Freude überhaupt hier zu sein durchströmen mich. Und so kehren wir auch an diesem Abend in unser Basecamp zurück, mit Gedanken an diesen Tag. Es ist erstaunlich, wie sehr eine solche Erfahrung fremde Menschen zu Kameraden und Freunden zusammenschweißen kann.

Trotz weiterer Regentage und darauffolgender Erkältung einiger Teilnehmer bleibt der „Wandermut“ in der Gruppe ungetrübt, was weitere Entdeckungen der Chachapoya Kultur zum Ergebnis haben.
Nicht ohne große Anstrengung, aufgrund von Krankheit und Wetter, aber stolz und glücklich kehren wir dann nach fast zwei Wochen in die Zivilisation zurück. Diese einzigartigen Erlebnisse und Erfahrungen werden uns wohl ein Leben lang begleiten. Auch wenn sicher nicht alles nach Plan verlaufen ist und uns das schlechte Wetter vieles erschwert hat, so überwiegen letztlich die positiven Ereignisse. Herbeigeführt durch den Zusammenhalt in der Gruppe, die Entdeckungen, die Hilfe und Unterstützung unserer Guides, das Bewältigen von schwierigen Strecken & der körperlichen Anstrengung, sowie vieles mehr.





Grabhäuser, Malereien, Gefäße und Kleidung der Chachapoya | Fotos: Emanuel Jöbstl
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben“. Ich kann mit Stolz sagen, das haben wir in jeden Fall und um nichts auf der Welt würde ich diese Erfahrung missen wollen!
